„Vodka seien gut, wenn Seele traurig!“
Theatergruppe des FC 07 Heidelsheim begeisterte mit „Feiertage für Fortgeschrittene“ in ausverkaufter TV-Halle
Ein Weihnachten endlich so ganz ohne die „geliebte“ Verwandtschaft, dafür mit einem Baum, der stinkt und ohne Lametta einfach nicht mehr das ist, was er früher einmal war. Und dann ruft auch noch zum exakt richtigen Zeitpunkt die Sirene Hans-Peter und Eugen zum Feuerwehreinsatz und bewahrt sie so vorm Weihnachtskonzert und seiner High-Society-Gesellschaft. Indes, schon bald holt die von „Weihnachtsbrötlen“ und Glühsuppe geschwängerte Welt Hans-Peter auf den rauen Boden der Tatsache zurück: Die Verwandtschaft rückt unangemeldet an, und ein Tag vor Dreikönig soll Hans-Peter mitten auf dem Heidelsheimer Marktplatz gegen einen körpergewaltigen Sumo-Ringer antreten, ganz so wie er es vor vier Jahren beim Vereinsfest nach 22 Bier auf der Papiertischdecke unterschrieben hat. Nein, kneifen geht nicht. Schließlich ist Hans-Peter „ein Mann auf der Überholspur, geboren um in der Öffentlichkeit zu stehen“ und will in den Ortschaftsrat gewählt werden. Und ohne Ringkampf keine Stimmen…
Doch plötzlich kommt alles ganz anders: Hans-Peter landet erst in der Garage und danach im Wohnzimmerschrank, drei lange Tage. Für die liebe Verwandtschaft sitzt er allerdings im Flieger auf dem Weg ins russische Sotschi, zur Montage versteht sich. Dumm nur, dass die Maschine über dem Kaukasus verschollen ist.
Am Boden – genauer gesagt bei der Theatergruppe des FC 07 Heidelsheim – sind die Turbolenzen freilich kaum geringer. Denn deren schauspielerische Leidenschaft gepaart mit dem Theaterstück „Feiertage für Fortgeschrittene“ von Regina Rösch sind die besten Garanten für Aufregung und Verwirrung, für Lachmuskelangriff und gute Laune. Kurzum: für einen ebenso anspruchsvollen wie kurzweiligen Theaterabend.
Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause haben es die FC-Akteurinnen und Akteure nicht verlernt. Im Gegenteil: In der bereits „37. Auflage“ scheinen alle so richtig aufzuleben und aufzublühen, sind froh, endlich wieder auf der Bühne zu stehen, endlich wieder das Publikum mitreißen zu können und endlich wieder zusammen gemeinsam Spaß zu haben. Von der ersten Sekunde an gehen die Zuschauerinnen und Zuschauer in der ausverkauften TV-Halle begeistert mit.
Das neue Stück von der Autorin Regina Rösch, die erneut mit ihrer Theatergruppe Böhmenstadel aus Triefenstein-Trennfeld angereist war, stellt das Theater-Team heuer vor eine noch größere Herausforderung, allein die Hauptakteure Hans-Peter (Jörg „Turbo“ Feßenbecker) und Elfriede (Nicole Diefenbacher) haben jeweils mehr als 150 Einsätze. Und auch die Geschichte an sich lebt dieses Mal deutlich mehr von Wortspielereien, Situationskomik und wortloser Mimik (grandios: Karl-Friedrich alias Ralf Feßenbecker). Jeder verleiht seiner Rolle einen unverwechselbaren Charakter: Julian Dehn beispielsweise macht mit gefühlvollem Lispeln aus dem unscheinbaren Karl-Heinz einen liebenswerten Pantoffelhelden. Und Evi Hartmann setzt den russischen Akzent der Haushaltshilfe Natascha so gekonnt und ungekünstelt ein, dass man „Wollmause“ ab sofort für niedliche Tierchen hält und ihr einfach glauben muss, dass „Vodka gut, wenn Seele traurig“. Resolut und ungestüm kommen Petra Haugl, Andrea Niederelz und Bernadette Bauer daher, die ihre Männer wortgewaltig im Griff und nach ihrem Befinden „gut erzogen“ haben. Da haben auch Johannes Durst und Christoph „Hansi“ Höchsmann als Vater und Sohn keine Chance aufzubegehren. Deutlich souveräner in der Männerschar, weil Single, entpuppt sich „Kurti“ (Uwe „Raile“ Rommel), nicht nur als er Hans-Peter selbstbewusst und spitzbübisch dessen Sumo-Höschen vorführt.
Nicht zu vergessen Nicole Keller-Klinger und Kathrin Müller in der Maske, die einmal mehr beschäftigungslose Souffleuse Inge Wohlfahrt sowie Julian Dehn und Martin Schmid, die das Bühnenbild gestaltet haben. Wie im Flug vergeht der über dreistündige Theaterabend und er macht dank der geschlossenen Top-Leistung aller Akteurinnen und Akteure so richtig Freude. Eine Geschichte aus dem Leben, so authentisch und natürlich auf die Bühne gebracht, dass man sich in der einen oder anderen Szene durchaus selbst schmunzelnd wiederfand.
Tipp: Wer die Aufführungen aus welchen Gründen auch immer versäumt hat, der ist zwar selbst schuld, man kann jedoch das Theaterstück am Samstag, 28. Januar 2023, 18:00 Uhr bei den Hako-Freunden in der Mehrzweckhalle Weiher nochmals auf seine Lachmuskeln einwirken lassen.