„Ruhestand und plötzlich war die Ruhe weg“ der Theatergruppe des FC 07 Heidelsheim ein voller Erfolg!
Gute Wünsche für den Lebensabend? Nein, das wäre völlig pietätlos. Stattdessen wünschen die lieben Nachbarn ihrem Walter „Viel Glück mit der Rente“ und wollen ihn auf „seinem letzten Gang, dem Abschied aus seinem Berufsleben begleiten“. Und vielleicht hat er ja jetzt Zeit, um sich auch bei der Badischen Hasenzucht-Olympiade zu beteiligen, bei der sich Erwins Hasenherr den zweiten Platz errammelt hat. Aber nein, der Walter hat einen konkreten Plan für seinen (ungewollten) Ruhestand: dem „Lodderleben“ seiner Gattin endlich ein Ende bereiten, Tupperparties, Sturm der Liebe anglotzen und Bofrost-Bestellungen adé.
Keine Frage, unter dem Motto „Ruhestand…und plötzlich war die Ruhe weg“ ging es bei der Theatergruppe des FC 07 Heidelsheim heuer wieder sehr turbulent zu. Ein Thema, das unter den Amateurschauspielern um sich geschlagen hatte, hatten sich doch einige in den theaterspielerischen Ruhestand verabschiedet. „Wir haben aber keine Kosten und Mühen gescheut, neue unverbrauchte Gesichter auf die Bühne zu bringen“, sagte Theater-Organisator Bernd Feßenbecker. Gesichter, die von Anfang an in der Truppe aufgingen und sich gleich wieder zu einem harmonischen Ganzen werden ließen. Zu einer Theatergruppe, deren Akteure schon immer mit Leidenschaft auf der Bühne stehen und „ihr“ Publikum schnell in ihren Bann zieht. Wahrhaftig, ein großer, gelungener Spagat!
Piero Pignone ist es, der den Ruheständler gibt, der die „Heidelsheimer Schmalzfabrik nach 43 Jahren und fünf Monaten“ verlassen muss – und daheim vergebens auf einen Hilfeanruf von dort wartet. Es ist seine Paraderolle, die er mit dem Temperament eines italienischen Patrone spielt: ebenso aufbrausend und HB-Männchen like beim Tapezieren wie nah am Wasser gebaut und einfühlsam für seine Sekretärin „Lila“ Schlüpfer. Nicole Diefenbacher spielt eine schrullige, ihren Chef vergötternde Sekretärin, ein bisschen Miss Moneypenny, ein bisschen Loriots Evelyn Hamann. Und geht damit Walters Gattin Therese mächtig auf die Nerven, was Petra Haugl bestens in Szene setzt – genervt vom „Alten“, am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Schließlich kann beim Brainstorming, was mittags gekocht wird, nichts vernünftig Essbares raus kommen.
Auch Walters Freunde haben es schwer: Karola (Andrea Niederelz), laut stark resolut und „grammatologisch“ bewandert, deren Mann Franz-Martin (Uwe Rommel) jeden Widerstand aufgegeben hat, aber in Fischerhose und knallgelben Hut eine sexy Figur abgibt; und die sich stets kappelnden Erwin (Bernd Feßenbecker) und Gisela (Evi Hartmann). Auch Walters Tochter Renate (Kerstin Höchsmann) hat wenig Freude am Ruheständler, der so gar nichts mit „Verdachtsschwiegersohn“ Stefan (Christoph Höchsmann)anfangen kann. Nur Pensionsgast Karl Mai (Johannes Durst) schwimmt ganz auf Walters Linie. Und verwandelt sich vom spröden Schwiegertochter-gesucht-Söhnchen zum liebeslustigen Charmeur, der in Lila Schlüpfer die „Blume der Prärie“ zum blühen bringt.
Er ist es auch, der seinem Namensvetter huldigend den dritten Akt zum Explodieren bringt, verwandelt sich die Bühne doch in Karl Mays Welt des Wilden Westens. Mit Hank Buttler, Saloon, Bonanza-Melodie, Marterpfahl und Walter als Winnetou „ohne Speck“. Peter Müller und Herbert Stuck haben das Bühnenbild in einen schnapsseeligen Saloon nebst Grand Canyon verwandelt, während Nicole Keller-Klinger und Andrea Kikillus in der Maske aus den Akteuren derbe Cowboys und gefährliche Rothäute gezaubert haben. Doch auch Jörg Feßenbecker in einer kleinen Statistenrolle sowie der „arbeitslose“ Souffleur Rainer Rommel haben ihren Teil zum rundum gelungenen dreitägigen Theaterspektakel zu Beginn des neuen Jahres 2013 beigetragen. Fulminant ist das Ende mit wild galoppierenden Steckenpferden und Schauspielern, die toben und wüten. Und spätestens jetzt weiß es ein jeder: Der wilde, wilde Westen fängt in Heidelsheim beim FC 07 an.